Wer in den letzten 20 Jahren die Mediävistik in den Niederlanden und in Belgien beobachtet hat, dem wird aufgefallen sein, dass sie sich offenbar neu positioniert. Natürlich ist vieles, was dort geschieht, eine allgemeine Tendenz der Mediävistik, so etwa die Betrachtung von Literatur in kulturhistorischen Kontexten oder die interdisziplinäre Ausweitung mit Blick auf die kontemporären Nachbarliteraturen (d. h. aus niederländischer Sicht v. a. auf die französische und deutsche Literatur und selbstverständlich auch die lateinische). Eines ist aber m. E. für die Niederlandistik spezifisch: die intensive Beschäftigung mit handschriftlichen Quellen und der Versuch einer möglichst vollständigen Erschließung und Inventarisierung aller Quellen, die der herkömmlichen Gattungen ebenso wie die nicht literarischer und nicht kanonischer Textsorten in Quellenrepertorien oder in Erschließungsmonographien mit angeschlossenen Repertorien. In diesen Werken wird die Überlieferung dokumentiert, aufgearbeitet und kommentiert.
Die mittelniederländische Artus- und Karlsepik, Reimgebete und Fabeln, Artesliteratur und Ehrenreden, Legenden, Chroniken und spreuke/sproke sind inzwischen inventarisiert und in Nachschlagewerken greifbar. Diese Werke verdienen es, auch in der Germanistik bekannt zu werden, nicht nur weil die Anfänge der mittelniederländischen und mittelhochdeutschen Literatur zusammenfallen (Stichwort Hendrik van Veldeke/Heinrich von Veldeke), sondern auch, weil in Kontaktzonen, besonders im Rhein-Maas-Raum, es zu Überschneidungen der Arbeitsgebiete beider Nationalliteraturen kommt. Leider führen diese nicht immer zu wünschenswerten Konvergenzen, und darum ist es wichtig, dass auch die jeweiligen Publikationsorgane von den Entwicklungen in den Nachbarphilologien berichten.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.2004.03.13 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7806 |
Ausgabe / Jahr: | 3 / 2004 |
Veröffentlicht: | 2004-07-01 |
Seiten 428 - 431
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