Nach all den Jahren offiziöser ,Vergangenheitsbewältigung‘, vielfältigsten wie verschiedenartigsten historiographischen Bemühungen um nachvollziehende Erfassung jener Zeiten, die man verdunkelnd-verschämt auch wohl die finsteren zu nennen pflegt, scheint es stiller geworden zu sein um die Ermordeten und Gequälten, um die Erniedrigten und Vertriebenen der Jahre 1933 bis 1945. Voluminöse dokumentarische Kompendien, eine beinahe unüberschaubar gewordene Fülle von historiographischen Überblicks- und Detailstudien (zumal zur Wissenschaftsemigration und zum literarischen Exil) erlauben in der Tat Annäherung, Übersicht und Analyse der erzwungenen Emigration zwischen 1933 und 1945. Welche ihrer Vertreter warum unter welchen Bedingungen wohin vertrieben wurden, was politik-, ideen-, institutionengeschichtlich daraus gefolgt war, welche seelischen Verheerungen Verfolgung und Flucht angerichtet hatten: Fragen wie diese pflegen mittlerweile auch Wissenschaftsdisziplinen an sich zu stellen, für deren fachliche Profilierung man bislang derlei historische Selbstreflexion weder für nötig noch auch für unbedingt ratsam hielt. In besonderem Maße gilt dies für die Germanistik bzw. die Deutsche Philologie, die schon während der 1920er Jahre an den Universitäten Deutschlands und Österreichs tatkräftig an der ideellen Nährung deutschnationaler und nationalsozialistischer Kulturideologie mitgewirkt hatte. Eine akademisch reichlich dubiose Disziplin, entsprach die literatur- und sprachgeschichtliche ,Kunde des Deutschtums‘ dem Selbstverständnis Deutschlands als Weltmacht und zählte dergestalt zum Grundbestand nationalistischer Ideologie. Während umfassende Studien, ja selbst kursorische Abrisse zur vertriebenen germanistischen Literaturwissenschaft sowie der germanistischen Literaturwissenschaft von Vertriebenen noch ausstehen, ermöglicht nunmehr Utz Maas’ erster Band eines auf zwei Bände angelegten lexikalischen Kompediums zu „Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933–1945“ Überblick und Einblick in den sprachwissenschaftlichen Teilbereich des Fachs. Der Verfasser beschränkte sich bei seinen über zehnjährigen emigrationsgeschichtlichen Recherchen freilich weder auf Universitätslehrer noch auf die Germanische Sprachwissenschaft – schließlich „läßt sich Sprachwissenschaft nicht ohne weiteres auf eine akademische Hochschullehrpraxis einschränken“ (S. 10). So sind vertriebene, verfolgte bzw. emigrierte Anglisten, Romanisten, Slawisten, Orientalisten, Hebraisten, Semitisten, Sinologen, Ägyptologen und Klassizisten ebenso vertreten wie sprachforscherisch tätige Psychologen, Philosophen, Mathematiker und Lehrer.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.1998.02.10 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7806 |
Ausgabe / Jahr: | 2 / 1998 |
Veröffentlicht: | 1998-07-01 |
Seiten 279 - 283
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