Zweifellos: ein großer Wurf mit hohen Ansprüchen. Werner Michlers Monographie – 2012 als Habilitationsschrift an der Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien angenommen und vom Göttinger Wallstein-Verlag in gewohnt solider Weise zu einem beeindruckenden Ziegelstein gesetzt – will nicht weniger als „Bausteine zu einer ‚Geschichte der literarischen Gattungen‘ im Kontext einer ‚Kulturgeschichte der Gattung‘ liefern; sowie einen Versuch zur Theoretisierung dieses Zusammenhangs“. Seinen zentralen Einsatzpunkt macht der Verfasser unter Rekurs auf die seit den 1980er Jahren geführten Diskussionen mit wünschenswerter Klarheit deutlich: Er fragt nach den Operationen und Verfahren literaturbezogener Ordnungs- und Rubrizierungspraktiken, die von verschiedenen Akteuren mit je spezifischen Perspektiven vollzogen werden, um „generisches Handeln zu ermöglichen, zu erklären und zu bewerten“. Hatten bisherige Zugänge von Gattungstheorie und Gattungshistoriographie poetische Artefakte aufgrund gemeinsamer Merkmale zusammengefasst und unter (nominalistisch oder realistisch gedachte) Allgemeinbegriffe subsumiert, um Gruppen zu bilden und Einheiten herzustellen, richten sich Michlers Beobachtungen auf die soziokulturellen Voraussetzungen und Konsequenzen eben dieser Prozesse. In dieser Perspektive bilden Gattungen keine fixierten ‚Dinge‘ wie (essentialistische) Textklassen oder (transhistorische) Schreibweisen; sie formieren sich vielmehr im und als Ensemble von sprachlich verfassten und kulturell verankerten Praktiken, die als „habitualisierte Klassifikationshandlungen“ (so S. 46 die in Anlehnung an Bourdieu geprägte und wiederkehrende Formel) wiederum Teil von übergeordneten gesellschaftlichen Prozessen und historischen Handlungszusammenhängen sind.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.2018.02.08 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7806 |
Ausgabe / Jahr: | 2 / 2018 |
Veröffentlicht: | 2018-06-22 |
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