DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.2014.01 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7806 |
Ausgabe / Jahr: | 1 / 2014 |
Veröffentlicht: | 2014-05-14 |
Der Minnetrank ist eine magische Gabe, die versehentlich Brautwerbungshelfer und Braut aneinander bindet. Gottfried verschiebt die Logiken des Gebens und Nehmens. Das Trinken ist kontingent. Das Gewaltpotential der Gabe ist im lebenslangen Zwang nach innen gewendet und vergiftet das Paar auf einen ewigen Tod hin. Durch den Ausschluss jeder Gegengabe gibt es kein Tauschobjekt im Sinne der archaischen Rechtsformel des do ut des. Der Gabencharakter selbst ist verschleiert. Doch liegt im Bekenntnis zum ewigen Sterben möglicherweise der Tauschwert, der die aporetische Struktur dieser Gabe markiert: Das Aufgeben des Lebens wird im Hingeben und im Blick auf die Zwanghaftigkeit zum maßlosen Verausgaben.
Der Beitrag konstatiert Defizite des rhetorisch-topischen Beschreibungs- und Deutungsmodells des Lustortes und lotet die Möglichkeiten seiner Überwindung durch die Metapher des erzählten Raumes aus – am Beispiel der ersten Baumgartenszene in Gottfrieds von Straßburg „Tristan“. In einem close reading wird gezeigt, dass – anders als in bisherigen Deutungen einer defizitären und an die Figuren gebundenen Raum- und Landschaftsbeschreibung – der Garten mit Hilfe von deiktischen und anderen sprachlichen Mitteln als autonome Kommunikations- und Wahrnehmungseinheit erzeugt wird. Er dient nicht nur als Hintergrund oder Bühne für die Handlung, sondern bestimmt diese entscheidend mit. Die Gottfriedsche Raumpoetik eröffnet somit den Blick auf den Garten als ein für die narrative Struktur entscheidendes visuelles Koordinatensystem, in welchem nicht zu lösende semantische Widersprüche still gestellt sind.
In der aktuellen Diskussion um die Ästhetik und Artifizialität der volkssprachigen Literatur des Mittelalters spielt die Kategorie ‚Stil‘ bisher nur eine untergeordnete Rolle, obwohl sich doch in der Gestaltung und Formgebung der sprachlichen Oberfläche literarisches Selbstverständnis zuallererst konkretisiert. Für Konrad Flecks „Flore und Blanscheflur“ zeigt der Beitrag, wie die betont einfache Versprachlichung der Liebeshandlung zum Medium einer kritischen Auseinandersetzung mit der ästhetisierten Schreibweise des Gottfriedschen „Tristan“ und der mit dieser Schreibweise verbundenen Perspektivierung unbedingter weltlicher Liebe als einem genuin literarischen Phänomen wird und insofern eine ganz eigene Ebene poetologischer Sinnbildung darstellt.
Das bekannteste deutsche Rechtsbuch wird auf Eike von Repgow (1209–1233) zurückgeführt. Im Beitrag wird dies mit Bezug auf inhaltliche und sprachliche Befunde hinterfragt. Dabei werden Unterschiede einzelner Textteile erörtert. Aus den Beobachtungen ergibt sich die These, dass das Lehnrecht als der zweite große Abschnitt des Werkes mindestens ein Jahrzehnt jünger ist, als bisher angenommen wird. Eine Verfasserschaft Eikes von Repgow für diesen Teil des „Sachsenspiegels“ erscheint ungewiss.
In seiner Rezension zu Fechters Untersuchungen über die deutschen Handschriften des Augustiner-Chorfrauenstifts Inzigkofen im 15. und 16. Jahrhundert fügt Schnell einige weitere Codices hinzu, die in der rezensierten Monografie noch nicht aufgeführt sind.
„Gleichzeitigkeit sagt nichts aus.“ Mit diesem Dürrenmatt-Zitat eröffneten die Veranstalterinnen Susanne Köbele und Coralie Rippl (beide Zürich) provokativ die internationale, durch den Schweizerischen Nationalfonds und den Zürcher Universitätsverein geförderte Tagung, deren Ziel es war, die genuin literarische Signifikanz von Gleichzeitigkeit – das Verhältnis von Sukzession und Simultaneität sowie narrative und performative Strategien und Effekte von Synchronisierung – im interdisziplinären Gespräch zu untersuchen.
Auf einer Miniatur des von Pierre Sala zusammengestellten „Petit livre d’Amour“ nähert sich das als Mann personifizierte Ich einer Margerite und schickt sich an, ‚sein‘ Herz in den Kelch der Blüte zu werfen. Das Buch war ein Werbungsgeschenk für Salas spätere Ehefrau, Marguerite, und lässt sich auf die Zeit zwischen 1500 und 1519 datieren. Frappierend an der Darstellung ist nicht nur der Kontrast von genauer Ausgestaltung der Szenerie und der Fragmentarität der männlichen Figur, die an Gesicht und Händen leere Flächen aufweist, die für eine spätere biographisch authentische Gestaltung durch einen Portraitmaler ausgespart blieben.
Seit die Verlage (und mit ihnen auch die Autoren) das Geschäft mit der Einführungsliteratur entdeckt haben, schießen derartige Bücher, Bändchen und Reihen wie Pilze aus dem Boden. Gab es noch vor zwanzig Jahren zu einem spezifischen Gegenstand die e i n e einschlägige Einführung auf dem Markt, so finden sich im Zeitalter von Amazon meist mindestens ein halbes Dutzend Titel, die Studierende und interessierte Laien an das gewünschte Themenfeld heranführen.
Der vorliegende Band versammelt „Beiträge der Internationalen und Interdisziplinären Tagung ‚Machtvolle Gefühle‘, die vom 24.–26. September 2009 in Berlin stattgefunden hat“. Zu dieser Tagung hatte Ingrid Kasten, zugleich Leiterin des Berliner Projekts „Emotionalität in der Literatur des Mittelalters“ (zugleich Teilprojekt des Berliner SFB „Kulturen des Performativen“), das von 1999 bis 2009 von der DFG finanziert wurde, eingeladen. „Vorrangiges Ziel der Tagung war es, neue Perspektiven und Ausblicke für die künftige Emotionsforschung zu eröffnen“.
Das Buch des bekannten amerikanischen Mediävisten bewegt sich auf der Linie rezeptionsästhetischer Studien, wie sie im Bereich der Kunstgeschichte W. T. J. Mitchell oder David Freedberg vorgelegt haben. Es fragt also danach, wie es Kunstwerken oder Texten gelingt, eine solche Wirkung auszuüben, dass die Leser oder Betrachter hingerissen werden, sich mit den Erscheinungen identifizieren, in ästhetische Welten eintauchen, wie es ihnen gelingt, zumindest augenblickshaft die Grenze zwischen Kunst und Leben vergessen zu machen.
Ins Jahr 1996 geht die Einrichtung eines Sonderforschungsbereichs zurück, der sich der Verwendung von Sentenzen im höfischen Roman widmete. An zwei Universitäten wurden die Studien durchgeführt: in Bochum unter der Leitung von Manfred Eikelmann zusammen mit seiner Doktorandin und jetzigen Akademischen Rätin Silvia Reuvekamp, in Münster unter der Leitung von Tomas Tomasek.
Katherina von Siena, „die kulturgeschichtlich bedeutendste Heilige des Predigerordens“, 1 verdankt ihren Nachruhm, wie so manch andere Mystikerin, wesentlich dem Engagement ihres Beichtvaters, des bedeutenden Dominikaners Raimund von Capua. Er begann, bereits als Ordensgeneral, bald nach Katharinas Tod (1380) mit der Aufzeichnung ihrer Lebensgeschichte. Diese planvoll strukturierte Vita, die sogenannte „Legenda Maior“ (LM), war äußerst erfolgreich und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Ihren größten Erfolg aber hatte sie in Deutschland, wo sie elfmal, freilich oft kürzend, übertragen wurde.
Zum weiten Feld der Vado mori-Dichtungen gehört die Erzählung (bzw. „Legende“) von drei lebenden und drei toten „Königen“. Das ist allerdings nur ein grob umrissener Motivbereich; sowohl die Anzahl als auch der Stand der lebenden wie toten Beteiligten kann variieren. Anhand der Überlieferungslage – die meisten Handschriften kommen aus Frankreich und stammen aus dem 13. Jahrhundert – wird der Ursprung der Erzählung in Frankreich verortet. Auch ikonographisch v. a. im 14. /15. Jahrhundert in weiten Teilen Europas (Frankreich, Italien, England, Deutschland, auch Nordeuropa) verbreitet, wird der Stoff gemeinhin als Vorstufe der Totentanz-Dichtungen betrachtet.
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