DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.2010.04 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7806 |
Ausgabe / Jahr: | 4 / 2010 |
Veröffentlicht: | 2010-12-15 |
Im Bemühen um eine Definition von Literaturgeschichte, die Aufschluss darüber geben soll, „warum wir Literatur studieren“, hat Stephen Greenblatt einmal folgende allgemeine Formel gefunden: „Literaturgeschichte [ist] immer die Geschichte der Möglichkeit von Literatur.“ Man ist versucht, diese Aussage weiter zuzuspitzen und ihr den historischen Sinn zu nehmen; denn wäre nicht die auf den ersten Blick vielleicht tautologisch erscheinende Definition denkbar, der zufolge Literatur schon an und für sich selbst immer und insbesondere die Möglichkeit von Literatur ist?
Der Beitrag behandelt das Motiv des Bettes als Ort literarischer Produktivität. Unter produktions- und rezeptionsästhetischen Gesichtspunkten kommt dem Bett eine kaum zu überschätzende Bedeutung zu. Denn das Bett ist nicht nur ein beliebter Ort der Lektüre, sondern ersetzt in manchen Fällen auch den Schreibtisch des Dichters. Aus der Perspektive der metapoetischen Literatur scheint das Bett daher eine sehr attraktive Trope zu sein, um den Beginn (Wiege) und das Ende (Totenbett) der literarischen Praxis zu bezeichnen.
Dieser Beitrag untersucht die von Jean Paul in „Siebenkäs“ und von Friedrich Theodor Vischer in „Auch Einer“ imaginierten ‚Schreibszenen‘ (R. Campe) als Momente gestörter Idyllik (J. Tismar) und fehlgehender Inspiration. Der kleinbürgerliche Schriftsteller wird im Prozess des Schreibens durch die andrängende Dinglichkeit des Alltags (Möbel, Schreibgeräte, Haushaltsgegenstände) aufgehalten. Die Idylle – Voraussetzung und Resultat literarischer Produktion – verwandelt sich in einen dissonanten Raum schmerzhafter Störungen und widerständiger Objekte, in dem die angestrebte harmonische Vermittlung von Subjekt und Objekt bzw. Schriftsteller und Umwelt nicht gelingen kann.
Der Artikel untersucht Mörikes poetische Einrichtungstechniken im Kontext einer entzauberten Ding-Welt. Vergleichend betrachtet werden Mörikes Dinggedichte, die sich auf Möbelstücke richten. Im Mittelpunkt stehen drei Aspekte: das Verhältnis von Text und Überschrift; der Einbezug des vermeintlich abwesenden Betrachters in den Ding-Raum des Gedichts; die Technik der Einschreibung als mögliche Auflösung der starren Dualität von Rahmen und Gerahmtem. Die Inschrift erweist sich nicht so sehr als Bestimmung des beschrifteten Gegenstands, sondern vielmehr als Mittel der intertextuellen Entgrenzung des Textes.
Adalbert Stifters „Nachsommer“ steht in der Tradition des Bildungsromans und erzählt die Geschichte einer Subjektwerdung. Allerdings ist die Entwicklung des Protagonisten hier ganz wesentlich auf Visualität abgestellt, der Darstellungsmodus des Romans der der Beschreibung. Der Aufsatz diskutiert Stifters Bildungsprojekt in Bezug auf die im „Nachsommer“ umgesetzte Poetik der Beobachtung.
Dieser Aufsatz untersucht das Verhältnis zwischen Möbeln und Schreiben in drei exemplarischen Texten: Poes „Philosophy of Furniture“, Baudelaires „La Chambre double“ und Benjamins Denkbild „Weimar“. Jeder dieser Texte bringt die Kunst der Möbel und den Schlaf in eine untrennbare Beziehung, die zwei einander verwandte Konsequenzen zeitigt: Erstens, ein durch den Schlaf gekennzeichnetes Interieur wird permanent von Störungen und zeitlichen Begrenzungen bedroht; zweitens, wenn der Traum des Schreibens ein metaphorisches Feld mit dem Schlaf teilt, wird ein solches mit dem Schlaf durchschossenes Schreiben eines, das auf Erwachen, auf sein eigenes Ende als Ideal wartet.
Das Formgesetz der Literatur Robert Walsers, sein Ergo-Nomos, lässt sich auf ergonomische Prinzipien beziehen, im Falle Walsers ihre Vernachlässigung im Büro. Die Figuren seiner Geschichten arbeiten zumeist an Schreibpulten, an denen sie sich krumm machen müssen, um überhaupt schreiben zu können. Um zu sich selbst Stellung beziehen zu können, müssen sie zunächst stellenlos werden. Walsers Ergonomie entsprechend arbeiten sie, während sie von der Arbeit pausieren: in einem Intervall des Nicht-Arbeitens und Nichts- Schreibens, einem Intervall des Gehens.
In diesem Aufsatz geht es um die Schreibszene bei Gottfried Benn, die dieser in einem kleinen autobiographischen Prosastück von 1952 auf die technische Formel dreier Tische gebracht hat. Vor dem Hintergrund des artistischen Programms, das Benn nur ein Jahr zuvor in seinem Vortrag „Probleme der Lyrik“ entworfen hatte, nimmt der Aufsatz die instrumentellen Verfahren des Schreibens in den Blick, in denen artistische Dinge Form und Gestalt bekommen und sich als Gedicht realisieren.
Der Aufsatz widmet sich den Zimmern, Möbeln und Einrichtungen bei Thomas Bernhard, vor allem in dem Roman „Korrektur“, der anhand der Höller’schen Dachkammer das Beispiel des idealen Denkplatzes durchspielt. Denn während Denken bei Bernhard immer ‚Gedankengang‘, mit Gehen verbunden ist und im Moment der Arretierung und Niederschrift mit dem Material des Schreibens kollidiert, scheint diese Dachkammer dem unauflöslichen Konflikt zwischen Idee und Gegenständen, Denken und Mobiliar einen Ausweg zu bieten. Der Erzähler folgt dem toten Roithamer in die Kammer, was aber bleibt, ist die Melancholie und Trauer der Möbel.
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